Konventionelle Landwirtschaft, der Buhmann der Nation?
Seit den Erfahrungen der 70er und 80er Jahre hat sich viel getan in der modernen Landwirtschaft. Statt „Viel hilft viel“ lautet die Devise im modernen integrierten Landbau „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Dies zeigt sich an der Abnahme des (Mineral-) Düngemitteleinsatzes und der ausgebrachten Wirkstoffmenge an Pflanzenschutzmitteln pro Hektar. Neue Verfahren zur Ermittlung des Nährstoffbedarfs und des Versorgungs status von Pflanzen wurden genauso entwickelt wie Verbesserungen bei der gezielten Applikation von Düngern. Entwickelt wurden neue Pflanzenschutzmittel, bei deren Zulassung umweltrelevante Aspekte eine entscheidende Rolle spielen, z.B. bei Insektiziden die Wirkung auf Nichtzielorganismen oder ihre Abbaurate im Boden. Moderne Nutzpflanzenzüchtung und die Entwicklung neuer Sorten (Frag die Gerste)
tun ihr Übriges dazu.
Obwohl im Bundesdurchschnitt 94 % der Betriebe konventionell wirtschaften und dafür Sorge tragen, dass wir mit ausreichend Lebensmitteln in guter Qualität und kostengünstig versorgt werden und der Anteil der biologisch produzierten Lebensmittel am Gesamt lebensmittelmarkt weniger als 4 % beträgt, wird der konventionellen Land bewirtschaftung ein großes Misstrauen entgegengebracht.
Mit vergleichbaren Argumenten und Schlagworten wie im 19. Jahrhundert (Lebensreform-Bewegung) wird sie als „industrielle Landwirtschaft“ kritisiert. Dabei wird oftmals die Betriebsgröße der konventionell wirtschaftenden Betriebe als Kriterium für die „industrielle Landwirtschaft“ herangezogen, wobei sich allerdings die Flächenstruktur dieser Betriebe nicht von derjenigen der Biobetriebe unterscheidet. Es ist am Ende keine
Frage der Betriebsgröße, wie umwelt- und tiergerecht ein Betrieb wirtschaftet, sondern es geht vielmehr um das Engagement und Know-how der Betriebsleitung und deren finanziellen Möglichkeiten zur Investition in neue umweltschonendere Techniken.
Ob große oder kleine konventionell wirtschaftende Betriebe, Fakt ist: die Erträge konnten auf den großen und den kleinen Betrieben erhöht werden. Ohne die Ertragssteigerungen des 19. und 20. Jahrhunderts müssten wir noch sehr viel mehr Hunger auf der Welt beklagen, als wir gegenwärtig erleben. Jedoch kann für die Zukunft keine Entwarnung gegeben werden, da die Weltbevölkerung weiter wächst und landwirtschaftlich nutzbare Fläche, z.B. durch zunehmende Verstädterung, verloren geht, der Klimawandel die Anbaubedingungen höchst wahrscheinlich verändern wird und Energie- und Nahrungsmittelproduktion schon jetzt mit einander konkurrieren. In dieser Situation ist es unangemessen, durch oft ideologisch geprägte Grabenkämpfe Zukunftsperspektiven zu verspielen. Viel sinnvoller ist es, das Wissen und die Kenntnisse verschiedener Anbauverfahren zu sichten, zu evaluieren und auf Dogmen zu verzichten. Ziel der landwirtschaftlichen Praxis muss es sein, in Abhängigkeit von den Gegebenheiten des jeweiligen Standorts so effektiv wie möglich zu produ zieren, bei gleich zeitiger Schonung der Umwelt und Erhalt einer möglichst großen Arten vielfalt. Eine optimal entwickelte Pflanzen- und Agrarforschung wird einen entscheidenden Beitrag dazu liefern.