Für Biokraftstoffe der 2. Generation will man den ethischen Konflikt „Teller oder Tank“ entschärfen und nur die Teile von Pflanzen für die Erzeugung von Treibstoff benutzen, die für den Menschen nicht essbar sind. Pflanzen bestehen zum größten Teil aus Cellulose und deren effektive Spaltung birgt bisher die größten Probleme.
Vom Stroh zum Lignocellulose-Ethanol
Anders als tierische Zellen sind pflanzliche Zellen von einer Zellwand umgeben. Diese verleiht den Zellen die nötige Stabilität, damit zum Beispiel, dass Bäume hundert Meter in die Höhe wachsen können. Schließlich haben Pflanzen weder Knochen noch Muskeln, die ihnen dabei behilflich sein könnten. Außerdem dient sie als Barriere gegen feindliche Eindringlinge oder schädliche Umwelteinflüsse.
Der Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwand ist mit etwa 50 Prozent Massenanteil die Cellulose. Cellulose ist das weltweit am meisten produzierte Biopolymer und besteht ähnlich wie Stärke aus Glukosemolekülen, nur die Art der Verknüpfung ist anders (β-Verknüpfung). Bis zu zehntausend Glukosemoleküle können sich zu einem einzigen unverzweigten Cellulosemolekül verbinden. Mehrere dieser langen Celluloseketten sind durch Wasserstoff-Brückenbindungen miteinander verknüpft, die zur Stabilität des Moleküls beitragen. Man spricht in diesem Fall auch von kristalliner Cellulose.
Der zweithäufigste Bestandteil der pflanzlichen Zellwand ist die Hemicellulose. Hemicellulose ist kein chemisch fest definiertes Molekül, sondern eine Gruppe von Vielfachzuckern, die aus verschiedenen Zuckerbausteinen bestehen. Hemicellulose verbindet Cellulose mit Lignin, das eine Art Schutzmantel um die Cellulosestränge bildet und dem Pflanzengewebe Druckfestigkeit verleiht. Eine solche Faser aus Cellulose, Hemicellulose und Lignin wird als Mikrofibrille bezeichnet. Viele Mikrofibrillen lagern sich zu einer Makrofibrille zusammen.
Wie wird aus Lignocellulose Biokraftstoff?
Dieser Vorgang ist in zwei Teilschritte gegliedert: die Vorbehandlung und Verzuckerung sowie die alkoholische Gärung.
Zunächst müssen die beiden Zuckerkomponenten, Cellulose und Hemicellulose, vom Lignin getrennt werden. Dass geschieht heute meistens unter Einwirkung von Hitze und Säuren.
Als nächstes müssen die langen Zuckerketten in ihre einzelnen Zuckerbausteine aufgespalten werden (Verzuckerung). Dazu braucht man spezielle Enzyme, die sogenannten Cellulasen, welche die besonderen Bindungen (β-Bindungen) in den Cellulosemolekülen spalten können. Solche Cellulasen findet man in verschiedenen Mikroorganismen. Zum heutigen Zeitpunkt stehen vor allem der Pilz Trichoderma reesei und das Bakterium Clostridium thermocellum im Mittelpunkt der Forschung. Da der Cellulosespaltung jedoch die Hitze- und Säurebehandlung zur Entfernung des Lignins vorausgeht, sucht man vermehrt auch nach thermophilen und acidophilen Mikroorganismen – also Einzellern, die bei heißen Temperaturen oder im sauren Milieu besonders gut wachsen – mit den passenden Enzymen zur Cellulosespaltung.
Die zurzeit verfügbaren Cellulasen sind sehr teuer, weshalb die Produktion von Biokraftstoffen aus Cellulose nicht wirtschaftlich ist. Man muss viel mehr Geld in die cellulosespaltenden Enzyme stecken, als man mit dem Verkauf des Biokraftstoffs wieder verdienen kann.
Der letzte Schritt ist die Vergärung der einzelnen Zuckerbausteine, also der Abbau von Zucker zu Alkohol. Die Glukose, also der Grundbaustein der Cellulose, kann sehr einfach von normaler Bäckerhefe zu Alkohol abgebaut werden. Etwas komplizierter wird es bei den vielen verschiedenen Zuckern aus der Hemicellulose. Das bei Molekularbiologen beliebte Bakterium Eschericia coli ist im Labor mit bestimmten Enzymen versehen worden, die ihm die Fähigkeit verleihen, jeden beliebigen Zucker aus der Hemicellulose abzubauen.
Kann man Pflanzen verändern, sodass sie sich besser als Ausgangsstoff für Biokraftstoffe eignen?
Daran wird geforscht! Pflanzen sind jahrtausendelang nur auf ihre Eigenschaften als Nahrungslieferanten hin optimiert worden. Ihre Nutzung als Ausgangsmaterial für Biokraftstoffe stellt ganz andere Anforderungen an sie. Kriterien, die man züchterisch verändern möchte, sind zum Beispiel: die Zusammensetzung der Zellwand, die Wachstumsgeschwindigkeit, die Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche geographische Regionen und wie effizient die Pflanzen Wasser, Sonnenenergie und Nährstoffe nutzen. Manche Pflanzen, man nennt sie C4-Pflanzen, gehen nämlich wesentlich effizienter mit Sonnenlicht, Wasser und Stickstoff um als andere. Dazu gehören zum Beispiel die mehrjährigen Gräser Riesenchinaschilf, Rutenhirse oder Zuckerrohr. Leider wachsen diese Pflanzen bei Temperaturen unterhalb von 10°C nicht mehr. Deswegen konzentriert sich die Forschung in kälteren Gebieten vermehrt auf Bäume, wie die schnell wachsenden Pappeln und Eukalyptus-Bäume.