Von der äußeren Erscheinung zu den „inneren Werten“
Seit der Mensch sesshaft geworden ist, baut er Pflanzen zu seinem Nutzen an. Er setzte dazu Methoden und Techniken ein, die zu Erfolgen führten, deren Wirkungsweise er aber zunächst nicht verstand. Pflanzenforschung bestand bis in die Neuzeit hinein vor allem aus der Beschreibung von Pflanzen und ihrer Katalogisierung.
Erst ab dem 17. Jahrhundert führten Entwicklungen und Erkenntnisse in der Chemie und Physik dazu, dass Abläufe in Pflanzen genauer untersucht werden konnten. Kenntnisse physikalischer Prinzipien wurden auf Abläufe in Pflanzen übertragen. Die Entdeckung chemischer Elemente und deren Nachweis führte zur analytischen Chemie. Erstmalig konnten pflanzliche Inhaltsstoffe wie z.B. Wein- oder Zitronensäure bestimmt werden. Vermutungen zu Stoffaufnahme, Stoffumwandlung und Stoffabgabe bei Pflanzen führten schrittweise zur Entdeckung der Photosynthese. Die Mikroskopie ermöglichte den Blick ins „Innere“ von Pflanzen. Gestalt, Lage und Struktur von Geweben konnten betrachtet, einzelne Zellen unterschieden und deren Aufbau und Bestandteile beschrieben werden.
Intensive Forschungstätigkeiten auf den Gebieten der pflanzlichen Stoffzusammensetzung, der Gewebe- und Zellanalytik sowie der Fortpflanzungs- mechanismen führten Mitte des 19. Jahrhunderts zur Entstehung zweier neuer Forschungszweige: der Vererbungslehre (später als Genetik bezeichnet) und der Evolutionsforschung.
Charles Darwin und Alfred Russel Wallace stellten 1858 die Theorie der natürlichen Selektion von Merkmalen auf, die sie 1859 veröffentlichten. Von dieser Theorie leiten sich alle modernen Evolutionstheorien ab. Der Augustinermönch Gregor Mendel formulierte 1866 die Vererbungs- gesetze. Sie basierten auf seinen Beobachtungen bei Kreuzungsversuchen mit Erbsen. Mendels Vererbungsgesetze, die auf dem äußerlich sichtbaren
Merkmal der Blütenfarbe beruhten, wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Forschungen von H. de Vries, C. Correns und E. von Tschermak- Segenegg wiederentdeckt und bestätigt. Ihre Forschungen eröffneten den Weg für eine effektivere Pflanzenzüchtung. Unabhängig von Mendel entdeckte und isolierte Friedrich Miescher 1869 den Stoff, aus dem das Erbgut gemacht ist. Er nannte diesen Stoff Nuclein, da er ihn in den Kernen von Zellen gefunden hatte (von lateinisch nucleus, Kern). Weitergehende Forschungen des Nucleins, später als Desoxyribonukleinsäure (abgekürzt DNS oder englisch DNA) bezeichnet, führten 1953 zur Aufklärung der Struktur durch James Watson und Francis Crick und legten die Grundlage für eine völlig neue Art von Pflanzenforschung.